Freitag, 19. Oktober 2007
Jedem sein Social Network
Informatikfakultäten sind derzeit ein interessantes Pflaster: Jeder mit etwas Verständnis von Internetprogrammierung versucht derzeit seine persönlichen Social-Network-Knaller zu erfinden. "Wenn für Plattformen wie StudiVZ und Facebook gigantische Marktwerte im Raum stehen, muss ich das doch auch können." In der Folge entstehen das x-te "VZ", die y-te Austauschplattform für Verbundene im Geiste, usw. Technisch sind viele dieser Plattformen makellos und häufig sogar deutlich besser als der jeweilige Marktführer. Technologische Qualität macht aber noch keinen Markterfolg.

Alle derartige Networking-Plattformen haben einen wesentlichen Zusammenhang gemeinsam: Je bekannter, desto mehr Nutzer. Je mehr Nutzer, desto bekannter und um so wertvoller. Diese Rückkopplung zwischen Bekanntheitsgrad und Nutzerzahl ist in der Lage eine unglaubliche Dynamik zu entwickeln und das erklärt letztlich den Erfolg der populären Portale wie XING und StudiVZ. Diese Dynamik kann sich aber nur entfalten, wenn das Netzwerk eine "kritische Masse" (d.h. einer Art Mindestteilnehmerzahl) überschreitet.

Wie erreicht man das? Möglichkeit 1: Mitglieder einkaufen (d.h. das Netzwerk wächst durch Zukäufe) Möglichkeit 2: Bekanntheitsgrad steigern (d.h. Beteiligungen der großen Medienunternehmen suchen) Möglichkeit 3: Eine Produkt mit einer geringen "kritischen Masse" an den Markt bringen.

Möglichkeit 1 setzt Kapital voraus, dass bei vielen Gründern zunächst nicht vorhanden ist. Die Chancen für das x-te Social Network derart hohe Darlehen zu bekommen sinkt mit der Zahl der bereits vorhandenen Netzwerke.

Möglichkeit 2 kann entweder mit Glück oder mit Verstand eintreten. Natürlich drängen auch die Medienunternehmen in diesen derzeit lukrativen Markt - man braucht einfach eine Beteiligung an einem solchen Projekt, um den Anschluss nicht zu verpassen. Die relevanten und kapitalkräftigen Investoren sind aber bereits aufgesprungen.

Und Möglichkeit 3? Das zweite Netzwerk einer bestimmten Art ist eben nur das erste der Verlierer - es sei denn, man hat die Ressourcen, um nach Möglichkeit 1 oder 2 zu verfahren. Mit jedem weiteren vergleichbaren Produkt wächst die "kritische Masse". Der Kunden muss ein wirklich neues Produkt erhalten. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass der Markt begrenzt ist. Wer erträgt schon den Aufwand, seine Präsenz in 10 oder 20 Netzwerken zu pflegen?

Kommen wir zurück zu den Informatikfakultäten: Die Möglichkeiten 1 und 2 scheiden dort in der Regel aus. Also versucht man krampfhaft nach Möglichkeit 3 vorzugehen. Dabei vergessen die potentiellen Gründer leider all zu oft, dass ein Alleinstellungsmerkmal nicht zwangsläufig auch beim Kunden als solches wahrgenommen wird, nur weil es im Businessplan steht. Zwischen den bekannten Social Networks verschwimmen heute schon die Grenzen: Viele Studenten sind beispielsweise in StudiVZ und XING angemeldet, obwohl sie sich an eigentlich disjunkte Zielgruppen richten.

Täuscht es, oder setzt sich die Copy-Paste-Mentalität auch an dieser Stelle fort? Ich vermisse, den Drang etwas wirklich neues zu erfinden. Für einen Gründer muss das viel gepriesene Web2.0 bereits heute State-of-the-Art sein, für ihn zählt das Web3.0 (oder wenigstens Web2.1).

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Dienstag, 16. Oktober 2007
Was heißt hier "chillen"?
Chillen - die Ikone der Kinder des Alcopop. Alles ist Chillen: "Das Sofa ist chillig.", "Das Zimmer ist zum Chillen", "Ich muss ein bisschen chillen.",... Vorbei die Zeit der schnöden Chill-out-Zone, die den Ravern in den 90ern eine Verschnaufpause während der durchfeierten Wochenenden bot.

In der überhitzten Nach-Jahrtausendwende-Welt scheint es nicht mehr ohne "Abkühlen" (engl. to chill) zu gehen - Klimawandel. "Ich stelle den Pudding zum Chillen vor's Fenster."

Sogar Google Trends offenbart mit dem Suchwort "chillen" die Ausmaße des deutschen Abkühlungsbedürfnisses. Während des Sommermärchens WM war es besonders ausgeprägt, und was die Chill-Anfragen angeht, wurde Oldenburg Deutscher Meister. Oldenburg ist übrigens Austragungsort der Faustball-WM 2007.

Eine Frage bleibt: Warum gibt jemand in einer Suchmaschine den Suchbegriff "chillen" ein? Zum einen hätten wir da die rückständige Generationen, die ohne Alcopops und Teletubbies aufgewachsen sind und einfach wissen möchten, warum die Welt auf einmal nur noch aus Abkühlung besteht. Wahrscheinlich gibt es aber auch die anderen, die tatsächlich Suchanfragen wie "chillen höxter" eingeben. Stand heute steht übrigens die Sparkasse Höxter bei Google auf Platz 1.

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Montag, 15. Oktober 2007
Hallo Welt?
Die "Generation Praktikum" ist auch eine "Generation Auslandssemester". Neue Eindrücke aus anderen Ländern sammeln... Und überhaupt: Wenn alle Karriereratgeber dazu raten, wird es schon gut sein. Wahrscheinlich gibt es am gewünschten Ort viele andere Deutsche - das schafft gleich ein Gefühl von daheim und erspart die mühsame Auseinandersetzung mit der anderen Sprache. Dieses 2-Klassen-Auslandsjahr gab es doch schon immer: Die einen tauchen in das andere Land ein, nehmen viel davon mit und entwickeln sich weiter. Die anderen gründen ihre private Exklave - heute lässt sich dank Internet, Telefon und Billigflieger die Heimat in's Studentenzimmer holen.

A propos Internet. Was haben Generationen auslandsreisender Studenten eigentlich gemacht, bevor es hinter jedem Präriebusch einen Accesspoint gab? Es ist schon erstaunlich: Man meint, ein Auslandsaufenthalt ohne Blog ist kein Auslandsaufenthalt; ein bisschen wie Jugendherberge ohne Küchendienst. "Hallo Leute! Ich packe gerade die Koffer... Morgen beginnt meine große Reise..." Haben wir darauf nicht alle gewartet? Dann wird fleissig geschrieben: Vom Sitzplatznachbarn, von dem seltsamen Essen, dem kleinen Zimmer, den komischen Schriftzeichen - und überhaupt "Ihr fehlt mir alle so." Und weil wir diese Blogs alle so klasse finden, schauen wir uns diese Auslandserlebnisse gleich noch im Fernsehen an. Zum Einstieg gibt es "Ausland auf Zeit" (mehr oder weniger interessante Schüler auf dem Weg in die große, weite Welt - wenn's dort den bekannten Fast-Food-Tempel gibt, ist doch alles in Ordnung), für die Fortgeschrittenen dann die Steigerung "Ausland auf Dauer" (oder zumindest so lange, wie das Gesparte, die mittelmäßige Geschäftsidee und die Illusionen ausreichen).

Erde 2.0: Ist es nicht die unterhaltsamste alle möglichen Welten?

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